Die Modernisierung der Steuerverwaltung in Spanien hat im Dezember 2025 einen kritischen Wendepunkt erreicht. Die Entscheidung des Finanzministeriums, das Inkrafttreten des Systems für verifizierbare Rechnungsstellung, technisch bekannt als Veri*factu, zu verschieben, stellt nicht bloß einen administrativen Aufschub dar, sondern eine strategische Neukonfiguration der digitalen Roadmap des Landes. Dieser Bericht analysiert eingehend die strukturellen, technischen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Maßnahme, untersucht den neuen Zeitplan, der den Erfüllungshorizont auf 2027 verlegt, und schlüsselt die komplexen Wechselwirkungen zwischen politischem Druck, der technologischen Kapazität der Unternehmenslandschaft und dem Kampf gegen Steuerbetrug auf.
- Der neue Zeitplan: Analyse des Königlichen Dekrets und die Verlängerung bis 2027
- Technische Anatomie von Veri*factu: Was sich nicht ändert
- Die Prinzipien der Unveränderlichkeit und Rückverfolgbarkeit
- Der QR-Code und die soziale Überprüfung
- Die zwei Modalitäten der Einhaltung
- Die Auswirkungen auf das Ökosystem der Softwareentwickler
- Das Paradoxon der „9 Monate“ und die Vermarktung
- Strategien für Hersteller angesichts der Verzögerung
- Normative Verwirrung: Veri*factu vs. Gesetz „Crea y Crece“
- Das Sanktionsregime: Unmittelbare Risiken
- Sektorale und wirtschaftliche Analyse
- Der Einzelhandel und das Gastgewerbe (HORECA)
- Der professionelle Selbstständige
- Die Rolle des Kit Digital beim Übergang
- Vergleichende Perspektive: Das baskische Modell (TicketBAI)
- Strategischer Fahrplan und Schlussfolgerungen
Die Ankündigung, die nach dem Ministerrat vom 2. Dezember 2025 offiziell gemacht wurde, reagiert auf ein Zusammentreffen von Faktoren, die über das rein Technische hinausgehen. Während sich das offizielle Narrativ darauf konzentriert, die Anpassung von KMU (kleine und mittlere Unternehmen) und Selbstständigen zu erleichtern, offenbart die Hintergrundanalyse hochrangige politische Verhandlungen mit parlamentarischen Partnern und eine pragmatische Reaktion auf das Risiko eines Zusammenbruchs des Angebots an zertifizierter Software.
Dieses Dokument zielt darauf ab, Finanzdirektoren, Technologieentwicklern, Steuerberatern und Compliance-Verantwortlichen einen umfassenden Überblick zu geben, indem es die aktuellsten Daten zu den Verordnungen des Antibetrugsgesetzes und des Gesetzes „Crea y Crece“ (Gründung und Wachstum) integriert.
Der neue Zeitplan: Analyse des Königlichen Dekrets und die Verlängerung bis 2027
Die Änderung des Implementierungszeitplans bedeutet eine taktische Erleichterung für einen Markt, der kurz vor der regulatorischen Sättigung stand. Bis zum Datum der Ankündigung hatte die Unsicherheit über die Fristen erhebliche Unruhe im Beratungs- und Softwareentwicklungssektor ausgelöst.
Aufschlüsselung der neuen Verpflichtungsfristen
Das Finanzministerium hat eine gestaffelte Einführung festgelegt, die deutlicher als in früheren Entwürfen nach der Rechtsform des Steuerzahlers unterscheidet. Diese Differenzierung ist entscheidend für die Ressourcenplanung in den Unternehmen.
Tabelle 1: Aktualisierter Zeitplan für die Implementierung von Veri*factu
| Steuerzahler-Segment | Vorheriges Datum (Geplant/Geschätzt) | Neues Datum des Inkrafttretens (Offiziell) | Unmittelbare Auswirkung |
| Körperschaftsteuerpflichtige (S.A., S.L. und juristische Personen) | 1. Januar 2026 | 1. Januar 2027 | 12 Monate zusätzlicher Spielraum für Systemaudits und ERP-Migration. |
| Selbstständige und Einheiten ohne Rechtspersönlichkeit (Natürliche Personen, Gütergemeinschaften) | 1. Juli 2026 | 1. Juli 2027 | Verlängerung um ein ganzes Jahr. Anpassung an den Steuerzyklus der Einkommensteuer (IRPF) 2027. |
| Softwareentwickler (Verbot des Verkaufs nicht angepasster Software) | 29. Juli 2025 (Ursprünglich) | Vorbehaltlich Überprüfung (Geschätzt Ende 2026) | Das Vermarktungs- und Entwicklungsfenster öffnet sich wieder, obwohl die „Verantwortliche Erklärung“ (Declaración Responsable) weiterhin eine unmittelbare Anforderung für neue Produkte bleibt. |
Quellen aus dem Finanzministerium haben bestätigt, dass diese Verzögerung darauf abzielt, „den Unternehmen, insbesondere KMU und Selbstständigen, mehr Zeit zu geben, um sich angemessen an die technischen Anforderungen des neuen Systems anzupassen“. Die strategische Lesart legt jedoch nahe, dass die Verwaltung diese Zeit auch benötigte, um die Robustheit ihrer eigenen Datenempfangsserver sicherzustellen und Skalierbarkeitsprobleme zu vermeiden, die bei einer massiven und gleichzeitigen Einführung auftreten könnten.
Die politische Ökonomie der Verzögerung
Es ist unerlässlich, diese Entscheidung im Kontext der parlamentarischen Stabilität zu betrachten. Regierungspräsident Pedro Sánchez verknüpfte das Königliche Gesetzesdekret zur Verschiebung explizit mit der Erfüllung ausstehender Verpflichtungen gegenüber der Fraktion Junts per Catalunya. Diese politische Dimension unterstreicht die Fragilität technischer Fristen, wenn sie mit legislativer Arithmetik verflochten sind.
Gleichzeitig war der Druck der Sozialpartner entscheidend. Der Nationale Verband der Selbstständigenverbände (ATA) und der Arbeitgeberverband CEOE warnten seit Monaten vor der technischen Undurchführbarkeit der ursprünglichen Fristen. Lorenzo Amor, Präsident der ATA, bezeichnete die Verlängerung als einen Sieg des „gesunden Menschenverstands“ und argumentierte, dass das produktive Gewebe, erschöpft durch Inflation und bürokratische Lasten, nicht in der Lage sei, eine erzwungene digitale Migration im Jahr 2026 zu bewältigen.
Diese Konvergenz politischer Interessen (Notwendigkeit parlamentarischer Unterstützung) und wirtschaftlicher Realität (technische Unfähigkeit des KMU-Sektors) schuf den perfekten Sturm, um eine Verzögerung zu rechtfertigen, die im Hinblick auf die Betrugsbekämpfung bedeutet, die erwarteten Einnahmen aus der Aufdeckung der Schattenwirtschaft zu verschieben.
Technische Anatomie von Veri*factu: Was sich nicht ändert
Trotz der Terminänderung bleiben die technischen Anforderungen, die in der Verordnung (Real Decreto 1007/2023) und der Ministerialverordnung HAC/1177/2024 definiert sind, unverändert. Es ist für Unternehmen grundlegend zu verstehen, dass das Was und das Wie bestehen bleiben; nur das Wann hat sich geändert.
Die Prinzipien der Unveränderlichkeit und Rückverfolgbarkeit
Der Kern von Veri*factu ist die Abschaffung des Prinzips der „kreativen Buchführung“ oder nachträglichen Manipulation. Computergestützte Abrechnungssysteme (SIF) müssen durch ihr Design garantieren, dass ein einmal erstellter Rechnungsdatensatz unveränderlich ist.
Der technische Mechanismus, um dies zu erreichen, basiert auf der Verkettung von Datensätzen mittels digitaler Fingerabdrücke (Hashes):
- Erzeugung des Hashs: Jede Rechnung generiert einen einzigartigen alphanumerischen Fingerabdruck basierend auf ihren kritischen Daten (Aussteller, Empfänger, Beträge, Datum).
- Verkettung (Chaining): Der Hash der Rechnung N bezieht in seine Berechnung den Hash der Rechnung N-1 mit ein. Dies erzeugt eine kryptographische Kette (ähnlich einer privaten und vereinfachten Blockchain), in der jede Änderung einer alten Rechnung die mathematische Kohärenz aller nachfolgenden Rechnungen brechen würde.
- Ereignisprotokoll: Das System muss automatisch jede Interaktion, jeden Fehler oder Manipulationsversuch in einem „Event-Log“ aufzeichnen, das ebenfalls unveränderlich und für Inspektionen zugänglich sein muss.
Der QR-Code und die soziale Überprüfung
Ein Unterscheidungsmerkmal der spanischen Regelung ist die Einbindung eines QR-Codes in die grafische Darstellung der Rechnung. Dieses Element demokratisiert die Kontrolle: Es ermöglicht jedem Empfänger (Endkunde oder Unternehmen), den Code zu scannen und über das elektronische Portal der Steuerbehörde (AEAT) zu überprüfen, ob diese Rechnung deklariert wurde.
Wenn der Aussteller das System Veri*factu (sofortige Übermittlung) nutzt, sieht der Kunde eine Nachricht, die bestätigt, dass die Rechnung bereits beim Finanzamt vorliegt. Wenn der Aussteller das System Nicht-Veri*factu (lokale Speicherung) nutzt, erleichtert der QR die Lesbarkeit der Daten für einen späteren Abgleich, gibt jedoch keine Echtzeit-Validierung ihrer Registrierung bei der AEAT.
Die zwei Modalitäten der Einhaltung
Die Verordnung bietet zwei Wege zur Erfüllung der Norm, eine Flexibilität, die auch für 2027 gilt:
Tabelle 2: Vergleich der Compliance-Modalitäten
| Merkmal | Modalität „Veri*factu“ (Empfohlen) | Modalität „Nicht-Veri*factu“ (Standard) |
| Mechanismus | Automatische und sofortige Übermittlung jedes Rechnungsdatensatzes an die AEAT via Webdienste. | Lokale Speicherung der Datensätze im System des Steuerpflichtigen. |
| Sicherheit | Die AEAT fungiert als vertrauenswürdiges Repository. | Erfordert sichere Aufbewahrung und Fähigkeit zum sofortigen Export bei Inspektionen. |
| Elektronische Signatur | Nicht obligatorisch für jeden Datensatz (Identität wird bei Übermittlung validiert). | Obligatorisch für jeden einzelnen Rechnungsdatensatz (fortgeschrittene elektronische Signatur). |
| Administrative Vorteile | Gilt per se als erfüllend für Integritätsanforderungen. Mögliche Automatisierung der MwSt.-Bücher. | Höhere Verantwortungslast bei Datenaufbewahrung und Verwaltung digitaler Zertifikate. |
Die Steuerverwaltung schafft klare Anreize für die Übermittlungsmodalität („Veri*factu“), indem sie die Komplexität der elektronischen Signatur jeder einzelnen Rechnung eliminiert und die Beweislast für die Integrität auf die Übermittlung an die AEAT selbst verlagert.
Die Auswirkungen auf das Ökosystem der Softwareentwickler
Der Technologiesektor ist paradoxerweise am stärksten von der Unsicherheit der Fristen betroffen. Softwareunternehmen (ISVs) haben Millioneninvestitionen getätigt, um ihre ERPs und Abrechnungssysteme an das ursprüngliche Datum 2025 anzupassen. Die Verzögerung stellt Herausforderungen für Liquidität und Produktstrategie dar.
Das Paradoxon der „9 Monate“ und die Vermarktung
Die ursprüngliche Regelung sah ein Verbot der Vermarktung nicht angepasster Software („Dual-Use-Software“ oder einfach Legacy-Software) 9 Monate nach Genehmigung der Ministerialverordnung über technische Spezifikationen vor.
Mit der im Oktober 2024 genehmigten Ministerialverordnung lag die theoretische Vermarktungsfrist im Juli 2025. Die Verzögerung der Nutzungspflicht für Endkunden auf 2027 schafft eine Diskrepanz: Können Entwickler weiterhin „alte“ Software im Jahr 2026 verkaufen?
Die Analyse des neuen Szenarios legt nahe, dass, obwohl die Nutzungspflicht verzögert wird, die Angebotspflicht seitens der Hersteller strenger bleiben wird, um zu verhindern, dass der technologische Park weiter veraltet. Entwickler müssen eine Verantwortliche Erklärung (Declaración Responsable) vorlegen, in der sie bescheinigen, dass ihre Software die Anforderungen erfüllt. Dieses Dokument wird zum Schlüssel für den Marktzugang. Hersteller, die ihre Produkte nicht zertifizieren können, drohen der Marktausschluss und schwere Sanktionen.
Strategien für Hersteller angesichts der Verzögerung
Angesichts der Verschiebung stehen Softwarehersteller vor dem Risiko eines kurzfristigen Nachfragerückgangs, da viele KMU ihre Kaufentscheidung bis Ende 2026 aufschieben könnten.
Empfohlene Strategien für den Sektor umfassen:
- Förderung der freiwilligen Annahme: Verkauf der Vorteile von Automatisierung und Managementkontrolle jenseits der regulatorischen Compliance.
- SaaS-Modelle (Software as a Service): Migration von Kunden auf Cloud-Abonnementmodelle, bei denen das Update auf Veri*factu als transparente kontinuierliche Verbesserung präsentiert wird, was die Wahrnehmung der Anpassungskosten verwässert.
- Frühzeitige Zertifizierung: Nutzung des Labels „Veri*factu Ready“ als Wettbewerbsvorteil gegenüber langsameren Konkurrenten oder solchen, die Legacy-Systeme beibehalten.
Normative Verwirrung: Veri*factu vs. Gesetz „Crea y Crece“
Einer der größten Verwirrungsherde auf dem Markt, den dieser Bericht zwingend klären muss, ist die Unterscheidung zwischen dem System Veri*factu (Antibetrugsgesetz) und der elektronischen B2B-Rechnung (Gesetz „Crea y Crece“). Obwohl sie oft als ein einziges Digitalisierungsphänomen behandelt werden, handelt es sich um Vorschriften mit unterschiedlichen Ursprüngen, Zielen und Geltungsbereichen.
Strukturelle und zweckbezogene Unterschiede
Tabelle 3: Hauptunterschiede zwischen Antibetrugsgesetz und Gesetz Crea y Crece
| Variable | Veri*factu (Antibetrugsgesetz) | Elektronische Rechnung (Gesetz Crea y Crece) |
| Ursprungsnorm | Gesetz 11/2021 über Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Betrug. | Gesetz 18/2022 zur Gründung und zum Wachstum von Unternehmen. |
| Hauptziel | Steuerkontrolle. Vermeidung der Verschleierung von Verkäufen („Schwarze Kassen“). | Bekämpfung von Zahlungsverzug im Handel. Rückverfolgbarkeit von Zahlungsdaten. |
| Subjektiver Geltungsbereich | Alle Unternehmer und Freiberufler (außer Ausnahmen SII/Forale Gebiete). Schließt Verkäufe an Endverbraucher (B2C) und Kassenzettel ein. | Ausschließlich Geschäfte zwischen Unternehmern (B2B). Betrifft keine Rechnungen an Endverbraucher (B2C). |
| Technische Anforderung | Unveränderlicher Datensatz, QR, Verkettung von Rechnungen. Internes Registrierungsformat. | Strukturiertes Austauschformat (XML, Facturae, EDI, UBL). Interoperabilität zwischen Plattformen. |
| Status des Zeitplans | Definiert: Januar/Juli 2027. | Ausstehende endgültige Genehmigung der Verordnung. Geschätzt ab 2026/2027. |
Die technische Schnittmenge: Die „Hybride Rechnung“
Obwohl es sich um unterschiedliche Gesetze handelt, konvergieren sie in der Praxis. Ein Unternehmen, das einem anderen Unternehmen (B2B) eine Rechnung stellt, muss in Zukunft beide Vorschriften gleichzeitig erfüllen:
- Seine Software muss den unveränderlichen Datensatz (Veri*factu) generieren, um die Anforderungen des Finanzamts zu erfüllen.
- Gleichzeitig muss es diese Rechnung in einem strukturierten elektronischen Format (Crea y Crece) an seinen Kunden senden, um die Handelsvorschriften zu erfüllen.
Die Verzögerung von Verifactu auf 2027 wirkt als logischer „Stopfen“. Experten für Steuertechnologie weisen darauf hin, dass es undurchführbar war, das Gesetz Crea y Crece (das komplexe Interoperabilität erfordert) zu implementieren, ohne zuvor die Basis der Rechnungsgenerierung (Verifactu) gefestigt zu haben. Daher ist es höchstwahrscheinlich, dass sich der Zeitplan des Gesetzes Crea y Crece de facto mit dem von Veri*factu synchronisiert und den Horizont der umfassenden elektronischen Rechnungsstellung in Spanien auf den Zeitraum 2027-2028 verschiebt.
Das Sanktionsregime: Unmittelbare Risiken
Es ist von vitaler Bedeutung zu kommunizieren, dass die Verzögerung des Inkrafttretens der technischen Formatanforderungen (QR, XML) kein Moratorium im Kampf gegen Betrug bedeutet. Das Sanktionsregime für sogenannte „Dual-Use-Software“ ist seit Oktober 2021 voll in Kraft.
Das Verbot von Dual-Use-Software
Artikel 29.2.j) des Allgemeinen Steuergesetzes verbietet ausdrücklich den Besitz und die Nutzung von Computersystemen, die Folgendes ermöglichen:
- Führung unterschiedlicher Buchhaltungen.
- Nicht vollständige oder teilweise Nicht-Widerspiegelung der Aufzeichnung getätigter Transaktionen.
- Aufzeichnung von Transaktionen, die von den getätigten Aufzeichnungen abweichen.
- Änderung bereits registrierter Transaktionen unter Verletzung der geltenden Vorschriften.
Die Sanktionen bei Nichteinhaltung sind streng und unterliegen nicht dem Zeitplan von 2027:
- Für Hersteller/Vermarkter: Geldstrafe von 150.000 Euro für jedes Geschäftsjahr, in dem Software verkauft wurde, die Betrug erleichtert.
- Für Nutzer (Unternehmen/Selbstständige): Geldstrafe von 50.000 Euro für den bloßen Besitz dieser Programme, unabhängig davon, ob deren tatsächliche betrügerische Nutzung nachgewiesen wird.
Daher befindet sich jedes Unternehmen, das heute eine Software verwendet, die es ermöglicht, „Bons zu löschen“, ohne Spuren zu hinterlassen, oder ausgestellte Rechnungen zu ändern, ohne Korrekturgutschriften zu erstellen, bereits in einer Situation extremen steuerlichen Risikos, unabhängig davon, ob Veri*factu verzögert wurde.
Sektorale und wirtschaftliche Analyse
Die Auswirkungen der Verzögerung und der zukünftigen Implementierung sind nicht homogen. Sie betreffen verschiedene Wirtschaftssektoren asymmetrisch.
Der Einzelhandel und das Gastgewerbe (HORECA)
Dies ist der Sektor, der aufgrund des hohen Volumens an Bargeldtransaktionen und vereinfachten Rechnungen (Kassenzettel) am empfindlichsten auf Veri*factu reagiert. Die Implementierung von QR-Codes auf jedem Bon bedeutet eine große operative Änderung an den POS-Systemen (Kassen). Die Verzögerung bis Juli 2027 wird in diesem Sektor besonders gefeiert, der traditionell knappe Margen und eine geringere Digitalisierung aufweist. Es ist jedoch auch der Sektor unter der größten Beobachtung der AEAT wegen der Schattenwirtschaft. Die Verlängerung ermöglicht es diesen Geschäften, ihre aktuellen Registrierkassen vor der obligatorischen Investition abzuschreiben.
Der professionelle Selbstständige
Für Freiberufler wie Architekten, Anwälte, Designer oder Berater ist der technische Einfluss geringer (weniger Rechnungsvolumen), aber der administrative Einfluss hoch. Viele verwalten ihre Rechnungsstellung mit Office-Tools (Excel, Word). Veri*factu bedeutet das endgültige Ende dieser Werkzeuge für die Rechnungsstellung. Die Verpflichtung, eine SaaS-Software zu abonnieren, impliziert neue jährliche Fixkosten. Die Verzögerung gibt ihnen Zeit, „Low-Cost“-Tools auszuwählen, die voraussichtlich 2026 den Markt fluten werden.
Die Rolle des Kit Digital beim Übergang
Das Förderprogramm Kit Digital ist der wichtigste finanzielle Mechanismus, um diese Kosten abzufedern. Die Regierung hat die Frist für das Segment III (0 bis unter 3 Mitarbeiter) bis Oktober 2025 verlängert. Es gibt jedoch eine chronologische Diskrepanz: Die Hilfen enden 2025, aber die Verpflichtung entsteht erst 2027.
Dies stellt ein strategisches Dilemma dar: Sollten Selbstständige den Gutschein jetzt beantragen und Software erwerben, die sie vielleicht erst 2027 voll nutzen, oder warten und riskieren, die Subvention zu verlieren? Die Empfehlung der Experten lautet, die aktuellen Mittel zu nutzen und sicherzustellen, dass sich der Digitalisierungsanbieter vertraglich verpflichtet, das Update auf Veri*factu bei Inkrafttreten ohne zusätzliche Kosten bereitzustellen. Es ist wahrscheinlich, dass die Regierung neue Hilfslinien (z. B. „Kit Digital 2.0“ oder Erweiterungen der Next-Generation-Mittel) vorschlagen muss, um die Talsohle von 2026 zu überbrücken.
Vergleichende Perspektive: Das baskische Modell (TicketBAI)
Um die Zukunft von Veri*factu im Rest Spaniens zu antizipieren, ist es lehrreich, die Erfahrungen der baskischen Finanzämter mit TicketBAI zu beobachten, einem analogen System, das bereits voll operativ ist.
Obwohl sie die Philosophie teilen (Rechnungsverkettung, QR, Übermittlung an das Finanzamt), gibt es operative Unterschiede:
- Universalität der Übermittlung: Bei TicketBAI ist die Übermittlung an das forale Finanzamt in Echtzeit (oder fast Echtzeit) für alle obligatorisch. Bei Verifactu (gemeinsames Territorium) ist die Übermittlung optional (Modalität „Verifactu“) gegenüber der lokalen Speicherung („Nicht-Veri*factu“).
- Validierung: TicketBAI validiert die Rechnung vor oder während der Ausstellung.
- Abzüge: Die baskischen Finanzämter führten starke Steuerabzüge (bis zu 30-60% der Investition) ein, um eine frühe Annahme zu fördern.
Die baskische Erfahrung zeigt, dass das System nach anfänglichem Widerstand und technischen Schwierigkeiten den Betrug signifikant reduziert und formale Pflichten (wie MwSt.-Entwürfe) vereinfacht. Es ist absehbar, dass die AEAT die „Schmerzpunkte“ der Implementierung von TicketBAI studieren wird, um die Landung von Veri*factu im Jahr 2027 abzufedern.
Strategischer Fahrplan und Schlussfolgerungen
Die Verschiebung von Veri*factu bis 2027 darf nicht als Signal der Entspannung interpretiert werden, sondern als Gelegenheit für einen geordneten und sicheren Übergang. Die digitale Transformation der Besteuerung ist unumkehrbar; nur die Reisegeschwindigkeit wurde angepasst.
Empfehlungen für Unternehmen und Selbstständige
- Systemaudit (2025): Bewerten, ob die aktuelle Software „Legacy“ ist oder ob der Anbieter einen klaren Fahrplan zu Veri*factu hat. Wenn Excel verwendet wird, den Ausstieg aus dieser Praxis planen.
- Nutzung von Subventionen (2025): Den Digital-Gutschein (Bono Digital) vor Oktober 2025 ausführen, um den Erwerb von Lizenzen für konforme Software zu finanzieren.
- Pilotversuche (2026): Nicht bis Januar/Juli 2027 warten. Der Beginn des Betriebs mit angepassten Systemen im Jahr 2026 ermöglicht es, Integrationsfehler zu erkennen und das Verwaltungspersonal ohne den Druck sofortiger Sanktionen zu schulen.
- Compliance-Kultur: Davon ausgehen, dass die steuerliche Transparenz total sein wird. Jede Diskrepanz zwischen Rechnungsstellung und Buchhaltung wird automatisch von den Algorithmen der AEAT erkannt.
Abschließendes Fazit
Die Entscheidung des Finanzministeriums, Veri*factu zu verschieben, ist eine Maßnahme des politischen und technischen Realismus. Sie vermeidet ein Szenario des administrativen Chaos und ermöglicht dem Ökosystem der Entwickler, ihre Lösungen reifen zu lassen. Das Endziel bleibt jedoch unverändert: eine datengesteuerte (data-driven) Steuerverwaltung, in der die Steuerkontrolle in Echtzeit ausgeübt wird und unlauterer Wettbewerb auf Basis von Steuerbetrug technisch unmöglich wird.
Für spanische Unternehmen ist die Botschaft klar: Die Stoppuhr wurde neu gestartet, aber die Ziellinie bleibt dieselbe. Die steuerliche Digitalisierung ist keine Option, sie ist die Lizenzvoraussetzung, um in der Wirtschaft des nächsten Jahrzehnts zu operieren. Die Verlängerung bis 2027 ist letztendlich eine Nachspielzeit, die mit strategischer Intelligenz genutzt werden muss.







